Kanzlei > News

Ne
ws

19. Juni 2022

Versagung des Vorsteuerabzugs und der Steuerbefreiung bei Steuerhinterziehung

Das Bundesfinanzministerium hat mit Schreiben vom 15. Juni 2022 den Umsatzsteuer-Anwendungserlass ergänzt:

Das Finanzamt trägt die Beweislast für die Bösgläubigkeit des Unternehmers, also dass dieser wusste oder hätte wissen können, dass er sich mit dem Eingangs- oder Ausgangsumsatz an einem Umsatz beteiligt, der auf einer vorhergehenden oder nachfolgenden Umsatzstufe in eine Steuerhinterziehung einbezogen ist.

Die straf- und bußgeldrechtliche Würdigung des Sachverhalts soll für die Versagung des Vorsteuerabzugs bzw. der Steuerbefreiung irrelevant sein:

“Voraussetzung für die Anwendung der Regelung des § 25f UStG ist, dass der objektive und subjektive Tatbestand des § 370 AO bzw. der §§ 26a oder 26c UStG auf mindestens einer Umsatzstufe innerhalb der Leistungskette erfüllt sind. Eine strafgerichtliche Verurteilung oder bußgeldrechtliche Ahndung ist nicht erforderlich. An Entscheidungen im straf- oder bußgeldrechtlichen Verfahren ist das Finanzamt bei Anwendung des § 25f UStG nicht gebunden.”

– Abschnitt 25f.1 Absatz 3 UStAE n.F.

Will der Unternehmer sein Recht auf den Vorsteuerabzug bzw. die Steuerbefreiung sichern, treffen ihn gesteigerte Auskunfts- und Dokumentationspflichten, mit denen er sicherstellen soll, nicht in eine Steuerhinterziehung einbezogen worden zu sein. Erfüllt der Unternehmer diese Pflicht nicht, geht die Finanzverwaltung von Bösgläubigkeit aus.

Anhaltspunkte für eine Steuerhinterziehung sollen in folgenden Fällen gegeben sein:

“Anhaltspunkte im Sinne von Absatz 4 Satz 3 liegen beispielsweise vor, wenn:

  • der Unternehmer durch einen Dritten aufgefordert/gebeten wird, sich an Umsätzen zu beteiligen, bei denen der Dritte die Rahmenbedingungen für das Umsatzgeschäft vorgibt (z. B. Vermittlung von Beteiligten, Vorgabe von Einkaufs- /Verkaufspreisen, Zahlungsmodalitäten oder Liefer- bzw. Leistungswegen);
  • die Finanzierung des Wareneinkaufs erst nach erfolgtem Warenverkauf möglich ist;
  • (angebotene) Mehrfachdurchläufe von Waren festgestellt werden;
  • dem Unternehmer Waren bzw. Leistungen angeboten werden, deren Preis unter dem Marktpreis liegt;
  • branchenunübliche Barzahlungen oder eine ungewöhnliche Zahlungsabwicklung erfolgen;
  • die Ansprechpartner in den Unternehmen oder die Ansprechpartner die Unternehmen häufig wechseln;
  • bei den Beteiligten berufliche Erfahrung und Branchenkenntnis fehlen;
  • die Beteiligten wiederholt ihren Unternehmenssitz verlegen;
  • Zweifel an der Richtigkeit der Angaben der Beteiligten bestehen (z. B. aufgrund von Abweichungen des Gesellschaftszwecks oder der Geschäftsadressen zu den Angaben laut Handelsregister);
  • der Gesellschaftszweck laut Handelsregister nicht dem tatsächlich ausgeübten Gesellschaftszweck entspricht;
  • dem Unternehmer eine Warenmenge oder ein Leistungsumfang angeboten wird, die für die Größe des Unternehmens in der Branche unüblich ist (z.B. ungewöhnlich hohe Stückzahlen trotz Neugründung);
  • die Beteiligten über keine ausreichenden Möglichkeiten zur Kontaktaufnahme verfügen (z. B. Website ohne Impressum, Rufnummer oder E-Mail-Adresse);
  • ungewöhnliche Leistungsbedingungen vorliegen (z. B. die Leistungen werden von einem oder an einen nicht an dem Umsatz beteiligten Unternehmen erbracht);
  • durch den Unternehmer über zugängliche Informationsquellen (z.B. Internetrecherche) festgestellt werden kann, dass die Anlieferung der Waren an die vom Abnehmer angegebene Lieferadresse nicht möglich erscheint.”

– Abschn. 25f.1 Abs. 5 UStAE n.F.